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Schatten im Paradies

Die Verschiffung eines Fahrzeuges von Panama nach Kolumbien geschieht mit einem Cargoschiff. Fähren gibt es auf dieser Strecke nicht (mehr) und für den Reisenden bedeutet das, dass er selbst auch irgendwie nach Kolumbien kommen muss.

Die meisten Traveller fliegen. Ich aber entscheide mich für einen fünftägigen Segelturn über die San Blas Islands. Das erscheint mir auch preislich interessant, wenn man berücksichtigt, dass man für 5 Tage Essen und Unterkunft spart.

Unser Boot, die Victory, ist mit 10 Passagieren und 3 (später sogar 4) Mann Besatzung offiziell ausgebucht. In der Realität ist es total überfüllt. Die Victory ist knapp 40 Fuss (ca. 13 m) lang und wurde nach einem langen Leben als Regattaboot so umgebaut, dass unter Deck Platz geschaffen wurde für 10 Kojen.  Unnötige Gegenstände wie ein Kühlschrank, ein Tisch, ein Navigationsboard oder eine Dusche mussten dabei weichen. Die Mannschaft schläft an Deck und Wasser zum Waschen und Zähneputzen ist rationalisiert und in Kanistern an der Reling festgebunden. Bei so vielen Menschen auf extrem engem Raum und wenig Schlaf hat man dann trotz peinigender Seekrankheit reichlich Gelegenheit, gruppendynamische Prozesse zu beobachten.

Dass wir als Gruppe insgesamt recht gut zurecht kommen liegt an der glücklichen Zusammensetzung der Passagiere. Außer einem überheblichen Spanier sind eigentlich alle sehr umgänglich und nett: drei junge Finnen, ein freundlicher französischer Mathematiker, ein junges französisches Pärchen, die ich schon in Porto Bello kennen gelernt hatte, sowie ein nettes deutsch-schweizer Paar.

Die Situation an Bord ist extrem eng, die Luft unter Deck stickig. In meiner Koje stinkt es nach Diesel und der Motor, der Tag und Nacht trotz guten Windes läuft, ist sogar lauter als der von Carl.

Fahrlässig und verantwortungslos aber ist die Zusammensetzung der Mannschaft. Unsere Capitana ist eine junge Argentinierin, die ihre aus fehlender Erfahrung resultierend Unsicherheit hinter einem forschen Auftreten zu verstecken sucht. Die beiden anderen Crewmitglieder sind für ganz wenig Geld angeheuert und haben vom Segeln keinen blasen Schimmer. Dazu kommt, dass das Boot in einem grenzwertigen Zustand ist und die Kommunikation an Bord schwierig, da die Capitana kein Englisch spricht. 

Bei all diesen Gegebenheiten kann man nur von Glück sprechen, dass wir zwar einen ordentlichen Wind hatten, es aber keine wirklich wettertechnisch schwierigen Situationen gab - auf die Crew und das Boot hätte man sich dann nämlich nicht verlassen können.

Die kurzen Stopps auf den San Blas Inseln entschädigen aber für vieles. Wir schwimmen, feiern Sylvester und spielen Volleyball auf Inseln, die zwar unbewohnt sind aber ein Volleyballfeld haben. Als ich mir dabei als erste Amtshandlung 2019 die Strecksehne im kleinen Finger abreißen, werde ich von Krankenschwester Beatrice und Sportarzt Ralf zugleich fachmännisch mit Hilfe einer abgebrochenen Plastikgabel geschient und trage diese nun für 8 Wochen eine Erinnerung an den Neujahrsmorgen und an die beiden.

Als wir nach reichlich fünf Tagen in Cartagena von Bord gehen, schwankt der Boden unter unseren Füssen noch eine ganze Weile. Jeder geht seiner Wege, aber wir treffen uns noch einige Male auf ein Bier in der Altstadt. In der Nachbetrachtung sind wir uns einig, dass der Törn eine interessante Erfahrung war, die man aber (zumindest auf der Victory) nicht unbedingt wiederholen muss.

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Kommentare: 4
  • #1

    Oliver (Samstag, 12 Januar 2019 21:25)

    Herzlichen Glückwunsch! Frohes neues Jahr! Immer eine Handbreit Diesel im Tank. Apropos! Wo ist Carl? Ist er auch gut reingerutscht?

  • #2

    Michael Ebert (Montag, 14 Januar 2019 20:05)

    Hi Christian, schön, dass du den Törn gut überstanden hast und nun um eine weitere Erfahrung reicher bist. Konntest du Carl schließlich vollständig und ohne Beschädigung wieder in Empfang nehmen? Ich wünsche dir ein gutes Vorankommen in Richtung Ecuador und freue mich auf deinen nächsten Blog-Eintrag. Liebe Grüße aus dem feuchtkalten Mainz auch von Ati �

  • #3

    Mobby (Dienstag, 15 Januar 2019 13:07)

    Lange nicht mehr den Blog verfolgt; bin ja erleichtert, das der Seelenverkäufer Euch wieder freigesetzt hat. Weiterhin einen sicheren Trip.

  • #4

    Tom (Samstag, 26 Januar 2019 02:05)

    Hi Christian, mich würde die Verschiffung interessieren, kosten, Papiere ect.
    Gruß Tom aus Uruguay z.Zt.